Virtuelles Trainieren des Ernstfalls

Die ABP VIRTUAL TRAININGS sind ein wichtiger Bestandteil der ABP VIRTUAL ACADEMY. Hier lassen sich wichtige Handgriffe, Arbeitsschritte und Notfallmaßnahmen planen – ortsunabhängig, zu jeder Zeit, an einem virtuellen Zwilling einer Anlage. Und mit Modulen wie dem „Bridging“ lassen sich Szenerien trainieren, die in der Realität idealerweise gar nicht auftreten sollten – die man in der Realität aber auch nicht so ohne weiteres trainieren kann. So lassen sich virtuell Realbedingungen inszenieren, die am tatsächlichen Objekt aus Sicherheitsgründen gar nicht möglich wären.

Die virtuellen Trainings sind aber auch ein Angebot zum Anlernen neuer Mitarbeiter. Die virtuellen Trainings von ABP können ganz einfach als Desktop-Anwendung wie ein Computer-Spiel oder mit speziellem Equipment interaktiv im Raum absolviert werden.

Die virtuellen Trainings entwickeln ABP-Digitalisierungsexperten auf Grundlage der langjährigen Erfahrungen, aber auch aufgrund von Rückmeldungen verschiedener ABP-Kunden. So können auch spezielle Trainings für unregelmäßig anfallende Wartungen und seltene Störungen entwickelt werden. Auch individuelle Szenarien nur für die Produktionsumgebung eines einzelnen Kunden können entwickelt werden.
Die Vorteile des virtuellen Trainings sind vielseitig. Durch die Abstraktion besteht nie eine Gefahr für Mensch und Maschine, und das bei gleichzeitig realitätsnahen Handgriffen durch die Interaktion. Zum anderen sind die virtuellen Trainings besonders effizient.
Der Produktionsbetrieb wird nicht eingeschränkt, ein kostenintensives Schmelzen entfällt, und durch die beschleunigte Simulation kann Zeit eingespart werden. Da die Trainings zu jederzeit an praktisch jedem Ort durchgeführt werden können, sparen Sie zudem Reisekosten und durch das Reisen entstehende unproduktive Zeiten der Mitarbeiter.

ABP Virtual Training: Mit dem Modul „Bridging“ können Gießereimitarbeiter am digitalen Zwilling üben

Ein sehr plakatives Beispiel ist das Training zur Verhinderung einer Brückenbildung im Induktionsofen unserer Gießereikunden. Beim Schmelzen im Induktionsofen kann das Chargiergut oberhalb der Aktivspule eine feste Decke bilden, da das elektromagnetische Feld dort nicht mehr ankoppelt. Das kann den eigentliche Schmelzprozess behindern, indem sich dieser Teil aufhängt und ein Nachrutschen des Schrottes in den Aktivteil der Spule verhindert. Die mögliche Folge: Es kommt zu einem starken Überhitzen der Schmelze im unteren Tiegelbereich, die den Kontakt zum darüber festhängenden Schrott verliert. Diese Überhitzung kann das Ofenfutter angreifen und beschädigen. Wird das nicht rechtzeitig erkannt, kann es zum Ofendurchbruch oder zu einer Explosion durch Überhitzung kommen. Insgesamt ein Vorgang, der die Sicherheit und den Betrieb massiv beeinflussen kann und zwingend zu vermeiden ist.
Hier setzt das Training an: Speziell für das Phänomen der Brückenbildung hat ABP Induction ein virtuelles Trainingsmodul entwickelt. Mit ihm lässt sich das beschriebene Szenario simulieren und in der Folge trainieren – am digitalen Zwilling der Anlage und damit nicht in direkter Produktionsumgebung, aber dafür praxisnah und unter Beachtung aller sicherheitsrelevanten Aspekte. Der Mitarbeiter trainiert alle Arbeitsschritte virtuell und kann in diesem speziellen Training auch Gefahrensituationen erleben, die im realen Umfeld nicht zu trainieren sind – und im besten Fall auch gar nicht auftreten sollen.

myABP Plattform ermöglicht volldigitalisierte Gießerei

Ein Arbeitsplatz der Extreme – dazu gehört sicherlich die Tätigkeit in einer Gießerei, in der Metalle bei Temperaturen von über 1.000 Grad verarbeitet werden. Hier kommt es natürlich auf höchste Sicherheit bei der Verarbeitung an, aber natürlich auch auf die Qualität des Produktes am Ende des Prozesses. Bislang lebte dieser Prozess vor allem vom Know-how des Schmelzers.

Auch die Temperaturlanze ist vollständig digitalisiert.

Mit der „FoundryCloud“ des Start-Ups Zorc Technology wird dieser Prozess digital dokumentiert, analysiert und durch künstliche Intelligenz verbessert. Sie wird direkt in das ABP-Gateway integriert und interagiert perfekt mit der Plattform myABP. Die speziell für Gießereien entwickelte Zorc-Lösung bildet die Plattform für eine vorausschauende Prozesssteuerung. Weitere digitale Geschäftsmodelle in diesem Umfeld sind greifbar. In Krefeld ist jetzt die erste Plattform dieser Art installiert worden.

Die Siempelkamp Giesserei stand vor Herausforderungen, die den gesamten Markt der metallverarbeitenden Industrie betreffen: Reduktion von Energiekosten und CO2-Ausstoß, generell das Thema Nachhaltigkeit in seinen drei Dimensionen und damit langfristig die Wettbewerbsfähigkeit. Siempelkamp entschied sich für einen großen Schritt, der einmalig ist und Pioniergeister aller Beteiligten erfordert. Mit der Modernisierung ihrer Induktionsöfen fällt der Startschuss für eine Digitalisierungsoffensive, wie es sie im Gießerei-Sektor in dieser Größenordnung noch nicht gab. Die digitale Steuerung der Anlage erlaubt nun eine präzisere Fertigung mit noch geringerem Ausschuss.

ABP ermöglicht erste vollständige Digitalisierung des Schmelzbetriebs

Die positiven Auswirkungen reichen von einem geringeren Stromverbrauch über reduzierte Kosten bis zu einem größeren Umweltschutz. Zudem kann das Gießerei-Unternehmen Kundenaufträge jetzt schneller, effizienter und mit einer höheren Fertigungsgenauigkeit umsetzen. Die Mitarbeiter profitieren zudem von einer Aufwertung ihres Berufsbilds, einer gesicherten Arbeitsstelle sowie von einer noch höheren Sicherheit am Arbeitsplatz. Die Umstellung auf die digitale Steuerung erfolgt schrittweise in mehreren Installations- und Testphasen, unter anderem unter Berücksichtigung des ABP-Schmelzprozessors PRODAPT®, die Ende des Jahres 2021 abgeschlossen wurden. Im Januar 2022 haben die Öfen dann ihren voll digitalisierten Betrieb aufnehmen können.

Schnittstellen zwischen Anlagen und Betriebssystem

Warum sich Siempelkamp mit ABP Induction einen klassischen Anlagenbauer ins Boot geholt hat, zeigt sich mit Blick auf die Entwicklung bei dem Dortmunder Unternehmen in den letzten Jahren: ABP hat eine eigene Digitalisierungssparte aufgebaut und bietet heute zahlreiche digitale Services rund um den Gießereibetrieb an – vom virtuellen Klassenraum über Virtual Reality-Trainings bis zu Augmented Reality-Support bei Wartung und Reparatur. Und dann gibt es eben noch Komponenten wie der Steuerung durch ABP Intelligence auf dem ABP-Gateway mit den notwendigen Schnittstellen zum Betriebssystem der Gießerei. Herzstück ist das myABP-Portal, welches einen Überblick über alle relevanten Anlagen und Prozesse gibt – sämtliche Elemente von Öfen über Waagen bis zu Temperaturmessungen mittels Lanzen sind herstellerübergreifend eingebunden. Es liefert dank seiner Datenqualität und Transparenz die Basis für einen kontinuierlichen Optimierungsprozess.
ABP schafft damit die Plattform für die Softwarelösung „Foundry Cloud“, die Zorc Technology speziell für Gießereien entwickelt hat. Diese neue Software zur Überwachung der metallurgischen Steuerung und Dokumentation speichert die Betriebsparameter der Gießerei und sendet erfahrungs- und KI-basierte Vorschläge zur Optimierung der Produktion direkt an die Mitarbeiter.

Aus gewonnenen Daten können direkt Strategien erarbeitet werden.


War in der Vergangenheit jeder Guss vor allem vom Know-how des Schmelzers abhängig, wird dieser nun von der neuen Software unterstützt. Sie überwacht die Vorgänge im Induktionsofen und dokumentiert die Parameter. Aus den Daten entwickelt sie Vorschläge zur Optimierung des Prozesses und sendet diese an den entsprechenden Mitarbeiter, der daraus Anpassungen ableiten kann. Dabei setzt die Software vorhandene Daten ein und lernt dank der Einbindung von künstlicher Intelligenz stetig dazu. Auf diese Weise wird der Datensatz immer größer und die Qualität über den Gussprozess immer besser. Teure Korrekturen und gar Ausschuss lassen sich so weitestgehend vermeiden.
Auch wenn der Gießprozess schon jetzt zu 98 Prozent fest kontrolliert ist, beschert die digitalisierte Anlage der Siempelkamp Giesserei eine zusätzliche Steigerung der Fertigungsexzellenz. Die zu überwachenden Betriebsparameter während eines Gusses sind komplex und vielfältig: Beladung, Start- und Zieltemperatur, Prozesszeiten und nicht zuletzt die optimale Energienutzung – jeder Faktor spielt für das Gelingen eine entscheidende Rolle. Indem die digitalisierten Öfen nun wichtige Daten erheben, speichern und auswerten, können diese analysiert und mit Hilfe von künstlicher Intelligenz weiterverarbeitet werden.

Daten vergleichen, Muster erkennen

Dank der so entstehenden Algorithmen können Daten verglichen und wiederkehrende Muster erkannt werden. Das Ergebnis: Die Software löst bisher unbekannte Probleme immer präziser und unterstützt den Mitarbeiter am Ofen dabei, die Prozesse vorausschauend zu steuern. Er kann sich so voll auf die Interpretation der Daten konzentrieren und den Schmelzvorgang bestmöglich darauf abstimmen. Das ist vor allem dann eine wertvolle Hilfe, wenn neue Komponenten und Faktoren einbezogen werden müssen.
Die Digitalisierung der Induktionsöfen zeigt allerdings auch, wie wichtig das Zusammenspiel von Mensch und Technologie in Zeiten von Industrie 4.0 bleibt: Die Mitarbeiter und ihr Interpretationsvermögen können in dem Prozess nicht ersetzt werden. Die digitale Lösung unterstützt sie lediglich dabei, noch schneller, effizienter, korrekter und routinierter zu gießen.

Lernplattform für Schulungen

Um seine Mitarbeiter mit der neuen Technologie vertraut zu machen, setzt das Krefelder Unternehmen auf umfassende Schulungen. Dabei geht es nicht darum, die Gießereimechaniker zu IT-Fachleuten auszubilden, sondern ihre Kompetenzen bei der Metallverarbeitung um den Umgang mit den digitalen Anwendungen zu erweitern. Damit erreichen die drei Kooperationspartner auch eine Aufwertung und Ausweitung der Gießereiberufe und steigern die Attraktivität ihrer Unternehmen für Bewerber.
Auch das Thema Arbeitssicherheit wird neben der Vermittlung der technologischen Neuerungen ein Teil der virtuellen Classroom-Trainings in der bereits mit Preisen prämierten Lösung sein. Die großen Datensätze erlauben neben der Produktionsunterstützung eine vorbeugende Simulation von Krisenfällen, die die Mitarbeiter mithilfe modernster VR-Technologie durchspielen können. Der Arbeitsplatz des Gießereimechanikers wird so im Umgang mit dem glühenden Schmelzgut auch ein Stück weit sicherer gemacht.

Ökologischer Fußabdruck

Gleichzeitig verbessert sich durch den geringeren Energie- und Materialeinsatz der ökologische Fußabdruck des Standorts deutlich. Immerhin ist das Zentralaggregat für Zweidrittel des Stromverbrauchs des Unternehmens verantwortlich. Präzisere Prozesse und noch weniger Ausschuss können hier helfen, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Insgesamt sind nach ersten Schätzungen CO2-Einsparungen von bis zu 1.000 Tonnen pro Jahr möglich.
Auch mit Blick auf die gesamte Anlage zeigt sich ein positiver Umweltaspekt: Das in die Softwarelösung integrierte Instandhaltungsprogramm mit seiner durchgängigen Zustandskontrolle und -überwachung erlaubt die gezielte vorbeugende Wartung. Damit trägt es maßgeblich zur Verlängerung des Lebenszyklus bei. Auf energieeffizientere Prozesse umzustellen, verhilft der Gießerei auch zu einer wirtschaftlicheren Produktion. Ein wichtiger Wettbewerbsvorteil für ein Unternehmen in einer energieintensiven Branche. Immerhin machen die Energiekosten bei deutschen Gießereien aktuell 25 Prozent ihrer Bruttowertschöpfung aus. Bei Strompreisen, die sich in 15 Jahren fast verdreifacht haben, ein nicht zu unterschätzender Posten im Budget. Hinzu kommen Materialeinsparungen durch den zusätzlich verringerten Ausschuss.
Die neue Plattform-Technologie wird sich also auch auf der Kostenseite des Unternehmens bemerkbar machen. Und das bei einem – bezogen auf die gesamte Ofenanlage – vergleichsweisen geringen Investitionsvolumen. Ein weiterer Punkt, mit dem sich das Unternehmen von seinen Wettbewerbern positiv absetzen kann.